Unwetterkatastrophe vom 14./15. Juli 2021

Am Mittwoch, den 14. Juli 2021 um 15:15 Uhr wurde der Unwetterzug der Feuerwehr Stadt Remagen, bestehend aus Mehrzweckfahrzeug (MZF 1/73-1), Tragkraftspritzenfahrzeug (TSF 2/41-1) und zwei Mannschaftsfahrzeugen (MTF 3/19-1 mit Mehrzweckanhänger und 4/19-1 als Zugführer-Fahrzeug) zur überörtlichen Hilfe nach Antweiler alarmiert. Dass dieses der Beginn einer der größten Umweltkatastrophen der jüngeren Geschichte werden sollte, ahnte derweil noch niemand.

Kurze Zeit später kam es auch im Stadtgebiet Remagen zu diversen Einsätzen, ausgelöst durch die vorangegangenen Starkregenereignisse. Während diese Einsatzstellen – Überflutungen von Straßenabschnitten, umgestürzte Bäume, Wasser in Gebäuden – noch abgearbeitet wurden, rückten weitere Kräfte zu einem Umspannwerk in der Ortslage Sinzig aus. Der Auftrag lautete, dieses vor Wassereinbruch zu sichern, da es relativ nah an der Ahr gelegen ist und die Prognosen ein erhebliches Ansteigen des Flusses erwarten ließen.

Parallel wurde im Remagener Gerätehaus der Löschzug besetzt, um den allgemeinen Grundschutz sicherzustellen und vorsorglich Sandsäcke auf dem benachbarten Bauhof zu befüllen. Anschließend wurde durch diese Kräfte die Rheinhalle Remagen als mögliche Notunterkunft vorbereitet. Die im Raum Sinzig eingesetzten Kräfte hielten sich unterdessen im Gerätehaus Sinzig in Bereitstellung, mittlerweile war der 15. Juli angebrochen.

Um 02:35 Uhr wurde der Löschzug mit dem Stichwort W3 „Überflutung/ Menschenrettung“ in den Bereich Sinzig / Kölner Straße alarmiert, vor Ort bot sich den Einsatzkräften ein bis dahin unvorstellbares Bild.

Auf einer Breite von erkennbar mindestens 400 Metern, tatsächlich war die Flut noch breiter, schoss das unglaublich schnell steigende Wasser mit einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit über die Kölner Straße in das dahinter, tiefer liegende Wohngebiet. Bei Eintreffen des Löschzuges versuchten Personen noch aus ihren Häusern zu flüchten, dieses gelang aber nur einigen Wenigen, dann war die Flut so hoch und schnell, dass ein Verlassen des Hauses den sicheren Tod bedeutet hätte.

Um 02:43Uhr wurde aufgrund der dramatischen Entwicklung für die Stadt Remagen Stadtalarm ausgelöst. Auch der Unwetterzug, nach einem abenteuerlichen Rückmarsch aus Antweiler, aufgrund zahlreicher gesperrter Straßen nach großen Umwegen  gerade erst einmal in Bonn angekommen, wurde nach Sinzig beordert.  Alle Einheiten, die noch in unserem Stadtgebiet in Unwettereinsätze eingebunden waren, wurden umgehend abgezogen und fuhren den Schadensbereich im Norden der Stadt Sinzig an.

Zeitgleich wurden die noch am Gerätehaus Sinzig bereitstehenden Kräfte der Feuerwehr Stadt Remagen in die südlich der Ahr gelegenen Wohngebiete geordert und dort in die Evakuierung und Menschenrettung vor Ort eingebunden.

Unter Einsatz des eigenen Lebens wurden vor und während der Flutwelle zahlreiche Menschen aus den überfluteten Gebieten, fast immer aus ihren Wohnhäusern, per Leitern, zu Fuß, mit Traktoren und Anhängern, aber auch mit eigentlich für den Rhein gedachten Rettungsbooten aus der massiven Strömung gerettet.

Besonders im Bereich Kripper Straße / Am Teich / rückwärtige Kölner Straße gelang es, unter lebensgefährlichen Bedingungen mit dem für den Einsatz auf dem Rhein vorgesehenen Rettungsboot der Einheit Remagen ca. 40 Personen aus den Häusern zu retten. Die Strömung war so stark, dass dieser Einsatz nur von freiwilligen Bootsführern durchgeführt werden konnte, kein Einsatzleiter hätte dieses befehlen können, denn nicht nur die extreme Strömung barg völlig unberechenbare Risiken, sondern auch die Gegenstände, die mit der Strömung durch den Ort getrieben wurden. Entwurzelte Bäume, Fahrzeuge, Wohnwagen, aber auch Container und unüberschaubar viele Kisten und Flaschen der ansässigen Mineralwasserbrunnen (Sinziger Mineralbrunnen und Apollinaris) gefährdeten die Einsatzkräfte extrem.

Zu einer besonders dramatischen Menschenrettung kam es am Morgen des 15. Juli zwischen den Ortslagen Bad Bodendorf und Lohrsdorf. Zwei Personen waren von den Fluten mitgerissen worden und konnten sich mit letzter Kraft in dem Geäst eines Baumes halten. Über die ganze Nacht hinweg wurde verzweifelt versucht, die Männer zu retten. Dieses gelang aufgrund der Strömung erst einmal nicht und die einzige erfolgversprechende Möglichkeit, die Rettung per Hubschrauber, schied aus, denn es stand schlicht und ergreifend keine Maschine zur Verfügung. Schlussendlich konnten die Personen nach Anbruch des Tages und bei guten Lichtverhältnissen nach über fünf Stunden, verletzt im Geäst hängend, mit einem waghalsigen Manöver durch ein Rettungsboot der Einheit Kripp sicher an Land gebracht werden. Da keinerlei Rettungsfahrzeuge zur Verfügung standen, wurden die Schwerverletzen erst mittels Kleinalarmfahrzeug (KLAF) und dann per Mannschaftstransportfahrzeug (MTF) ins Krankenhaus Remagen transportiert, so dass zumindest dieser Einsatzauftrag ein gutes Ende nahm.

In den folgenden Tagen vergrößerte sich das Einsatzgebiet der Feuerwehr der Stadt Remagen um ein Vielfaches. Durch die zerstörte Infrastruktur im unteren Bereich der Ahr hatte die Stützpunktwehr die Aufgabe, alle nördlich der Ahr gelegene Bereiche der Stadt Sinzig und Teile von Bad Neuenahr-Ahrweiler einsatztechnisch abzudecken. Durch Zerstörung oder unsichere Passierbarkeit nahezu aller Ahr-Brücken, war es den eigentlich örtlich zuständigen Feuerwehreinheiten nicht mehr möglich, den Grundschutz dieser Gebiete zuverlässig sicherzustellen. Selbst wenn die Möglichkeit eines zeitnahen Eintreffens bestanden hätte, waren die Einheiten meist so stark vom Hochwasser betroffen und in die Hilfeleistungen eingebunden, dass sie ihren originären Aufgaben keinesfalls nachkommen konnten. Somit kam es für die Remagener Kräfte zu zahlreichen Alarmierungen, angefangen von mehreren Kellerbränden, ausgelöst durch Solaranlagen, welche die Gleichrichter im Keller unter Strom setzten, über auslaufende Gefahrstoffe, gemeldeten Gasgeruch bis zu einsturzgefährdeten Bauten und brennenden Wohnungen, wobei häufig auch der in Oberwinter stationierte GW-G in die Anforderung einbezogen wurde.

Da die Einheit Remagen taktisch günstig liegt und selbst nicht betroffen war, wurde über einen Zeitraum von zwei Wochen im 24 Stunden-Betrieb der Brandschutz und die allgemeine Hilfe für den nördlich der Ahr gelegenen Bereich der Stadt Sinzig, einschließlich der Ortschaften Bad Bodendorf und Lohrsdorf, sichergestellt. Auch der Gerätewagen Gefahrgut (GW-G) der Einheit Oberwinter wurde für diesen Zeitraum weiterhin fest besetzt.

Der eingangs erwähnte Unwetterzug, nun in abgewandelter Zusammensetzung, unterstützt durch die Einheiten Unkelbach und Oedingen, war im gesamten Katastrophengebiet noch tagelang zur überörtlichen Hilfe im Einsatz. Neben klassischen unwetterspezifischen Einsatzstellen, wie leer zu pumpende Kellern, galt es die Folgen der Flut, nämlich Trümmer und Schlamm zu beseitigen und akut gefährdete Bauten zu sichern. Hierbei waren alle Einheiten der Feuerwehr der Stadt (Kripp, Remagen, Oberwinter, Rolandswerth, Unkelbach und Oedingen) stark gefordert.

Dank einer großzügigen Sachspende der Berufsfeuerwehr Trier konnte die Einheit Remagen auf ein zusätzliches Tanklöschfahrzeug (TLF 24/50) und ein Wechselladerfahrzeug (WLF) u.a. mit einem Abrollbehälter Wassertank (AB-Tank, 6000 Liter) zurückgreifen. Mit diesen Fahrzeugen wurde über viele Tage die Trinkwasserversorgung der besonders betroffenen Orte im Bereich der unteren und mittleren Ahr unterstützt.

Zusätzlich wurden im Feuerwehrhaus in Remagen zahlreiche Spenden, insbesondere Stromerzeuger, Werkzeuge, Hochdruckreiniger, Schaufeln, Besen Stiefel etc. angenommen und umgehend an Bedürftige weitergeleitet. Auch die Versorgung fremder, unterstützender Feuerwehrkräfte wurde teilweise hier durchgeführt, sei es mit Mahlzeiten oder einfach nur mit Wasser (funktionierender Hydrant) für die Einsatzfahrzeuge.

Eine tolle Aktion startete am 29.Juli der Reporter und Moderator des Senders 1LIVE, Daniel Danger, zusammen mit dem Initiator und Feuerwehrmann Sebastian Thormeyer. Sie liefen, unterstützt von Soldaten der Bundeswehr und Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehr, in Einsatzkleidung innerhalb eines Tages von Köln nach Remagen. Hier, am Ziel, wurden sie vom Löschzug der Einheit Remagen mit Sondersignal, einer Wasserdusche und tosendem Applaus empfangen. Die gesamte Aktion wurde von Anfang bis Ende live im Radio begleitet und diente nicht nur dazu, Spenden für die Flutopfer zu sammeln, sondern es sollte auch ein Zeichen der Solidarität gesetzt werden.

Unterstützt wurde dieser Lauf von den Landesfeuerwehrverbänden NRW und Rheinland-Pfalz.

Am Samstag, dem 31.07.2021, endete für die Feuerwehr Stadt Remagen nach 18 Tagen offiziell dieser Einsatz. In diesem Zeitraum wurden allein durch die Kräfte aus Remagen mindestens 3181 Einsatzstunden geleistet.

Und natürlich mussten im Nachgang die Gerätschaften wieder instandgesetzt, gewartet und überholt werden. Auch mehrere kleinere Ergänzungseinsätze (nochmals Wasser transportieren, andere Transportfahrten etc.) folgten in den nächsten Tagen.

Dieser Einsatz ist in der Geschichte der Feuerwehr mit Sicherheit eines der größten und einschneidensten Ereignisse und brachte in der Folge auch für viele Einsatzkräfte eine sehr starke seelische Belastung mit.

Zu einem ersten Austausch luden die Einsatzkräfte der Einheit Remagen, die  Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehreinheiten Sinzig und Bad Bodendorf und die Bürgermeister dieser beiden Städte am 07. August ins Gerätehaus Remagen ein, um bei einem kühlen Getränk und einem Stück Grillfleisch, auch mit den eigenen Angehörigen über das Erlebte zu sprechen.

Es stehen noch viele Arbeiten an und der Weg zum „Normalbetrieb“ ist noch sehr weit, aber die Hoffnung darauf motiviert und stützt die Einsatzkräfte.

 „Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr!“

 

Pressegruppe der Feuerwehr Stadt Remagen